Da waren es nur noch fünf… Das dritte Semester. Seit gestern Abend ist auch dieses Kapitel meines Studiums abgeschlossen. Die letzte Klausur ist geschrieben, das Podcast-Projekt für mich beendet und die letzte Party gefeiert. Morgen geht es für die Ferienzeit in die Heimat.
Und während ich darauf warte, dass meine Eltern mich und einen Großteil meines Hausrats (insbesondere meine Garderobe) abholen, habe ich Zeit. Zeit, um über die vergangenen viereinhalb Monate nachzudenken und diese Revue passieren zu lassen.
Mit dem Einzug in meine WG begann nach der Zeit im Studentenwohnheim ein weiterer, neuer Lebensabschnitt. Wie lebt es sich in derselben Wohnung unter einem Dach mit Menschen, die nicht zur eigenen Familie gehören? Leider gab es nicht viele Gelegenheiten das Leben zu dritt auszutesten, da es schon kurz nach Semesterbeginn einen bitteren Ausfall gab. Krankheitsbedingt wurde aus dem magischen Dreieck sehr früh ein dynamisches Duo. So gesehen war das wohl der absolute Tiefpunkt gleich zu Beginn des Wintersemesters.
Aber so wie man Freunde (aus den Augen) verliert oder nicht mehr so oft zu sehen bekommt, so lernt man auch neue Leute kennen. Manchmal aber auch alte Bekannte, die man in einem anderen Licht wahrnimmt, weil man sich vorher zwar freundlich, aber nicht intensiv mit ihnen beschäftigt hat.
Ich nenne das für mich persönlich immer ganz gerne „eine Verlagerung von Freundschaften auf Grund neuer Lebensumstände“. Zwei Semester lang war mein absolut engster Bezugskreis auf ein paar wenige Freunde im Studiengang beschränkt. Ganz einfach, weil ich sie (auch in der vorlesungsfreien Zeit) fast täglich sah und nur ein Stockwerk hoch oder runter gehen musste. Nun ging das nicht mehr so leicht. Man unternimmt einfach nicht mehr jeden Tag etwas zusammen, wenn man sich explizit Gedanken darüber machen muss, wer wann und wie nach Hause kommt, ohne an einem Bahnsteig oder Busbahnhof zu verenden.
Intensive Kontakte werden auf ein Normalmaß runtergefahren und neue Bande geknüpft. Mitunter auch völlig unerwartete. Oftmals hat bei mir schon eine Projektzusammenarbeit dafür gereicht. Wie gesagt, man sah manchen Menschen mit anderen Augen, wenn man sich von der oberflächlichen Betrachtung des „mag ich – mag ich nicht“-Schemas gelöst und sich mit der Person auseinandergesetzt hat.
Der erste Eindruck entscheidet, aber er sollte nicht bestimmend im weiteren Umgang sein. So wie zum Beispiel bei unseren Nachfolgern. Ich möchte nicht wissen was sie von uns gedacht haben, als sie uns bei den Einführungsveranstaltungen das erste Mal gesehen haben. Ebenso wenig gilt es wohl auch umgekehrt. Man beäugt einander immer mit einer gewissen Argwohn, nicht wissend, ob „eine Freundschaft einen persönlichen ökonomischen Nutzen“ für einen selbst hat. Ja, so werden, wenn man den Leitsätzen einer unserer Vorlesungen glauben schenken darf, mittlerweile Freundschaften geknüpft. Auf Basis ökonomischen Nutzens. Die Mär von der Freundschaft um der reinen Freundschaft willen scheint so langsam aber sicher zu verblassen.
Dennoch gibt es immer noch Menschen, die einen unbedarften ersten Schritt wagen und auf jemanden zugehen. Einfach, weil sie es wollen und können. Diese Menschen kennen gelernt zu haben und bestehende Bindung vertiefen zu können, ist wohl die schönste Erfahrung dieses Halbjahrs.
Unsere Dozenten sprachen am ersten Tag des neuen Semesters davon, dass wir versuchen sollten uns nicht nur in unseren „studentischen Semesterghettos“ zu bewegen, sondern aufeinander zuzugehen und mit- anstatt gegeneinander zu arbeiten. Ich für meinen Teil glaube, diesen Schritt als Sophomore in meinem zweiten Studienjahr gemeistert zu haben.
Manche Freundschaften kühlen nun einmal mit dem Laufe der Zeit ab, gerade weil sich die eigene Situation geändert hat, und manche blühen gerade deshalb richtig auf. Diese Freundschaften dann aber auch aller Widerstände zum Trotz zu pflegen, ist die Herausforderung dabei.
Alles in allem habe ich mich aber mit wirklich jedem verstanden, wenn es darum ging sich mit ihm oder ihr auseinanderzusetzen. Selbst wenn ich dem ein oder anderen mal vor den Kopf gestoßen haben sollte, dann zumindest in einer so charmanten Art und Weise, dass man mir nur seltens böse war. Grabenkämpfe zu beginnen liegt mir ja sowieso nicht. Wieso sollte ich dann damit anfangen? Ich weiß meine Leute richtig einzuschätzen, so dass ich eigentlich keinen Grund zum Bedauern hätte.
Mein Tun auf dem Campus ist wohl ähnlich einzuordnen. In den unzähligen großen und kleinen Projekten habe ich vieles lernen können, was mir später durchaus hilfreich sein könnte. Die ein oder andere didaktische Ausschussware war zwar auch dazwischen, aber diese auch zu erkennen und abhaken zu können ist ja schließlich auch eine Lektion, die es zu lernen gilt.
Unser Podcast-Projekt zum Beispiel war eine so noch nie da gewesene Geduldsprobe innerhalb meines Studiums. Ohne meine Mitstreiter wäre das so wohl nicht möglich gewesen. Meine schreiberischen Fähigkeiten haben sich in den Punkten bemerkbar gemacht, in denen ich sie auch vorher schon vermutet habe. Glosse, Filmkritik, (frei geführtes) Interview. Meinen Schwerpunkt für die Zeit nach dem Praktikumssemester habe ich dennoch noch nicht hundertprozentig gefunden. Ob Journalismus oder Public Relations wird sich noch zeigen. Vielleicht wähle ich auch den Königsweg und mache beides. Entsprechende Möglichkeiten hätte ich zumindest jetzt schon.
Im Grunde genommen bin ich auch dieses Semester wieder an meinen Projekten gewachsen. Nicht nur der Podcast, sondern auch unser Kurs „Sportjournalismus“ war ein willkommener Prüfstein. „Knowledge Management“ nannte es unser Dozent, als es darum ging einen Posten für eine unangenehm klingende Aufgabe zu besetzen. Die Jobbeschreibung klang wie folgt: Koordinierung der circa vierzehn Projektstränge, Wissenssupport bei den Themen, Anlaufstelle für Projektfragen, Hinweisgeber bei Orientierungsschwierigkeiten und enge Zusammenarbeit mit dem Dozenten, der weder bei vielen von uns, noch viele von uns bei ihm, anfangs einen guten Stand hatte.
Es war eine Herausforderung, die für mich einen gewissen Reiz hatte. Von daher nahm ich diesen Posten an und konnte mich, wenn ich den Worten meiner Kommilitonen Glauben schenken kann, sehr gut dabei behaupten.
Einzig an meiner persönlichen Einstellung zum setzen von Prioritäten müsste ich noch arbeiten, da ich mir viel Hektik und Stress durch meine helfende Art selber produziert habe. An mich selbst zuerst zu denken ist etwas, was mir immer noch nicht so im Blut zu liegen scheint.
Schlussendlich waren es viele kleine Bausteine, die dieses Semester wieder einmal interessant gestaltet haben. Meine Dozenten und Professoren haben in einigen Bereichen meines Schaffens mein Auge geschärft und mir neue Ansichtsweisen vermittelt. Meine Kommilitonen wiederum haben mir gezeigt, wie wenig man doch eigentlich über sie weiß, obwohl man schon so lange mit ihnen studiert, was allerdings auch einen Antrieb für mich darstellt, mehr über die Menschen erfahren zu wollen, mit denen man Tag für Tag im Hörsaal und Redaktionsraum sitzt.
Wie erfolgreich ich insgesamt gewesen bin, kann ich jetzt noch nicht sagen. Dafür stehen noch zu viele Noten aus, als dass ich ein konkret in Zensuren manifestiertes Bild meiner Leistung vermitteln könnte. Allerdings bin ich doch guter Dinge. So, wie ich auch guter Dinge im Blick auf das kommende Sommersemester bin.
Es war schön und wird, so hoffe ich, auch wieder schön werden.