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Mittwoch, 21. Oktober 2009

Sebastian Deisler - Zurück ins Leben

Ich will versuchen mich kurz zu fassen, was die unbestrittene Qualität dieses Buches angeht und zur Verdeutlichung einen kurzen, wenn auch auf den ersten Blick seltsamen Vergleich heranziehen: F. Scott Fitzgeralds "Der große Gatsby" ist wohl auf Lebenszeit eines meiner Lieblingsbücher, für das ich mittlerweile eine Lesedauer von knapp sechs Stunden bei etwa 190 Seiten veranschlage. Für die Geschichte des Fußballers, aber insbesondere des Menschen Sebastian Deisler zurück ins Leben, habe ich fünf Stunden bei knapp 240 Seiten gebraucht - und dabei jede Zeile förmlich aufgesogen.

Etwas Ehrlicheres und Offeneres als diese Biographie habe ich in meinem bisherigen Leben noch nicht in die Finger bekommen. Mit jeder Seite wuchs der ohnehin schon vorhandene Respekt vor dem Mut Deislers mit seiner Krankheit - und nichts anderes sind Depressionen (keine Wehwehchen, kein Jammern, keine Faulheit) - an die Öffentlichkeit zu gehen und nach seinem Rücktritt im Januar 2007 nun nochmals zu erklären, was ihn zu diesem Schritt getrieben hat. Aber auch, wie er sich trotz seiner vielen Rückschläge immer wieder zurückgekämpft hat, um es allen - und irgendwo auch sich selbst - noch einmal zu zeigen.

Und so zolle ich auch Michael Rosentritt großen Respekt, der sich die Zeit, Anteilnahme und das Bewusstsein für ein nicht alltägliches, wenn nicht in dieser Form gar einzigartiges Schicksal, genommen hat, um dieses Buch auf Wunsch und in Zusammenarbeit mit dem einstmals zum Messias des deutschen Fußballs Gepriesenen zu schreiben, ohne es zu einer reinen Sportlerbiographie verkommen zu lassen.

Vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Fußballgeschichte, die mir noch immer so präsent ist, als wäre es gestern gewesen, werden die Mechanismen des Fußballs ebenso in ihrem kalten Kalkül gezeigt, wie die Medienlandschaft - aber auch die nicht zwingend fußballinteressierte Öffentlichkeit - um diesen doch mittlerweile zum Wirtschaftszweig mutierten Sport Fußball nach jeder Information giert und gerade im Boulevard keine Grenzen mehr zu kennen scheint. Auch das ist es, was bei mir ein Gefühl der Bedrücktheit ausgelöst hat; denn auch die Schlagzeilen von damals sind noch nicht vergessen. Die belanglosen und inszenierten ebenso wie hysterisch hoch stilisierten.

Für mich persönlich kommt dieses Buch mit seinen Inhalten, aber auch Erklärungs- und Veranschaulichungsversuchen einer immer häufiger auftretenden, nach wie vor stark unterschätzten und zu sehr tabuisierten Krankheit aber wohl dann doch zu spät, um von mir sagen zu können, ich hätte immer alles verstanden.

2 Kommentare:

  1. Ich kann dir nur sagen, dass man diese Krankheit nicht verstehen kann, wenn man nicht selbst drunter leidet und selbst wenn man das tut, versteht man sie oft selber nicht.
    Vielleicht wäre das Buch etwas für mich.
    Alles andere lasse ich so stehen, an dieser Stelle.
    Nightfears

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  2. Ich habe auch schon damit geliebäugelt, mir dieses Buch zu holen und nach Deiner Beschreibung sollte ich es wohl wirklich tun.

    Depressionen sind eine Erkrankung, die zu bagatellisieren grob fahrlässig wäre. Aber es ist schwierig zu verstehen, was da passiert, wenn man es nie selbst erlebt hat.

    Lasse ich auch so stehen.

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