Gestern lief die „Twittern/ Bloggen während der Vorlesungen und somit die Privatheit der Veranstaltung und Personen aufgeben“-Diskussion also auch bei uns und ich fand das Ganze höchst interessant.
Worum ging es? Nachdem Twitter seit der diesjährigen re:publica in der deutschen Szene einen wahren Hype als Microblogging-System für Kommunikationsaffine erlebt, ist die Welle natürlich auch (schon lange vorher) in unsere Vorlesungssäle geschwappt und es wird fleißig aus der Vorlesung heraus in die Welt gezwitschert.
Okay, genau genommen leben aus meinen Kreisen nur die aktuellen Zweitsemester, ein mir bekannter Sechstsemester, eine Diplomandin und ein Kommilitone aus meinem Semester diesen Drang zur Kurz-Kommunikation aus, aber man kann unter anderem auch bei zweien meiner Professoren via Following auf dem Laufenden bleiben.
Aber im Grunde geht es zum einen um den Aspekt aus einer „geschlossenen Gesellschaft“ heraus, in diesem Falle die Vorlesung mitsamt Teilnehmern, frisch von der Leber weg mehr oder weniger interessante Beiläufigkeiten ins Netz zu kommentieren, tuscheln und preis zu geben und zum anderen, ob man den Professor/ die Professorin vorne „hintergehen“ und sich selbst dem kommunikativen Ausverkauf zum Fraß vorwerfen würde.
So hatte sich einer unserer Professoren bereits nach einem ersten Diskussionsansatz bei den Zweitsemestern auf seinem Blog hier und hier seine Gedanken dazu gemacht, eine Professorin hat sich in einem der Kommentare gemeldet, ein weiterer Prof hat via Twitter darauf hingewiesen, FloSi hat auf seinem Blog nachgelegt und unter meinen Followern wurde auch gegrübelt.
Gestern Morgen wurde schließlich in unsere Runde gefragt, wie man zu Twitter oder auch Blogging stehen sollte. [Sollte ich erwähnen, dass man unserem Kurs Twitter erst erklären musste?]
Die Begriffe „Lauschen“, „Stalking“, „langweilig“ usw. rauschten durch die tuschelnden Reihen und wenn man überall „2.0“ drangehangen hätte, dann wäre das wohl ein partielles Stimmungsbild aus diesem Kurs zu Kommunikationsmöglichkeiten im Netz, die über E-Mail und Instant Messaging á la ICQ hinausgehen. Man wird das Gefühl nicht los, einige würden sich mit Grausen davon abwenden oder frotzeln anschließend in einem kaum zu begreifendem Maße darüber, da man keinen persönlichen Nutzen oder auch höheren Sinn darin sieht.
Es war zumindest ausgesprochen schade, dass gestern einige der Webliebhaber gefehlt haben, um sich diesbezüglich zu äußern. Zu meiner Schande muss ich aber auch gestehen: ich war selber nicht sehr lautstark als Verfechter dabei und habe mir somit definitiv selber ans Bein gepinkelt.
In meinem Kopf entspann sich aber schon dieser Artikel, an dem ich seit eben dieser Vorlesung etappenweise von Pause zu Pause schreibe…
Ein Tenor war allerdings nicht wirklich auszumachen, da vielen einfach der Draht oder auch persönliche Eindruck zu und von Twitter, Blogs und Co. fehlt bzw. das Interesse nicht zwingend der Materie gilt. Der Ausspruch "Man muss es einfach selber erlebt haben" trifft die Sache wohl ganz gut. Wenn ich es mir im Nachhinein jedoch so recht überlege, gab es überhaupt keinen Tenor.
Wie dem auch sei, hatte ich dennoch mit meinem Wissen um das fast schon web2.0-phob anmutende Verhalten einiger Kommilitonen in der gestrigen Vorlesung ein bisschen das Gefühl, man würde gezielt mit mir sprechen bzw. mich in diesem kleinen Kreis der Mit-alles-über-alles-Kommunizierenden in unserem Semester zählen. Die Vorlesung begann ja quasi mit „Wer von ihnen außer Danyo (ich bleibe jetzt mal bei meinem Nick) twittert?“…
Aber trotzdem, Web2.0 und Co. sind auf jeden Fall irgendwie hier bei uns angekommen. Allerdings stellt sich für viele immer noch die Frage, wie man die zwei erwähnten Plattformen – und alle anderen auch, man denke an StudiVZ und Konsorten und die damalige Panik bei der VZ´schen AGB-Änderung inklusive dem schleichenden Tod des selbigen – händeln sollte. Ehrlich gesagt stellt sich diese Frage manchmal auch noch für mich.
Mit einer bewussten Balance aus eigenem Stil und dem gesunden Wissen, dass jemand Außenstehendes mitlesen könnte, könne man sich ohne Probleme im Web bewegen und seine Spuren hinterlassen.
So ungefähr klang die aufmunternde Aufforderung unseres Profs, sich mit all diesen Dingen einmal genauer auseinanderzusetzen und, das ist jetzt wieder meine Meinung, nicht von vornherein alles abzulehnen.
Zuweilen suche ich selber noch meinen eigenen Stil im Netz – oder zumindest den letzten Schliff. Distanziert bleiben oder ruhig mal mit Emotion schreiben? Privates oder nur Triviales? Nett oder mit scharfer Zunge? Schwarz oder weiß? Mit Milch oder Zucker? Ich schwanke hierbei oftmals zwischen beidem, fühle mich aber nicht so, als ob ich zwischen allen Stühlen sitzen würde.
Wer so mitliest kann ich übrigens zu circa 70 Prozent nachvollziehen, so dass ich hier zumindest den ungefähren Pfad kenne.
Aus der Diskussion heraus wurde schließlich erneut die Frage in den Raum geworfen, ob man sich anders unterhalten würde, wenn man nicht wisse, ob jemand an der Tür mitlausche oder nicht. Würden wir uns anders verhalten, ausdrücken und miteinander umgehen? Hier möchte ich ein Statement eines weiteren Profs aufgreifen, der uns zum Thema Kommunikation folgendes sagte: "Wir spielen immer und überall Theater, da wir immer und überall kommunizieren."
Ich habe mir diese Frage seit gestern ein paar Mal gestellt und bin für mich zu dem Schluss gekommen, dass ich, unter welchen Umständen auch immer, zu den Dingen, egal ob geschrieben oder gesprochen, stehe, die ich meine. Früher nannte man so etwas wohl „Rückgrat haben“.
So weiß ich von einigen Kommilitonen die mitlesen, sich aber dezent bis unsichtbar im Hintergrund halten. Bei, meiner Einschätzung nach, „offenen Themen“ verlinke ich mittlerweile gerne mal und nenne die Webnamen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Bei „Interna“, die mich durchaus auch aufregen und verärgern kann, nenne ich keinerlei Namen. Wer sich angesprochen fühlt wird schon wissen warum. Betroffene Hunde bellen und so…
An dieser Stelle gab es zum Beispiel erst einmal so etwas wie eine „Diskussion“ über die Kommentare, die sich inklusive mir auf fünf Kommilitonen „ausgeweitet“ hatte. Der Rest weiß wohl bis heute nichts davon. Was geschrieben wurde blieb im Web, gesprochen wurde nicht mehr darüber. Ich hatte eigentlich etwas anderes erwartet, aber allem Anschein nach beziehen viele einen Blog nicht in ihre Wahrnehmung der Welt außerhalb des Webs mit ein.
Ich weiß auch von einigen Professoren die mitlesen und sich (meines Erachtens nach) auch durch mein Archiv gekämpft haben. Als mir das bewusst (mal wieder) wurde, habe ich eine Weile überlegt, ob ich vielleicht den ein oder anderen Beitrag aus meinem Fundus entnehmen sollte. Ich habe mich dagegen entschieden, da ich auch jetzt nach wie vor zu dem stehe, was ich damals geschrieben habe. Es waren Momentaufnahmen, die man durchaus zu meiner Entwicklung im Web zählen kann, darf und auch soll. Fehler gehören schließlich dazu und sie zu verwischen ist auch nur eine Flucht vor der eigenen Meinung. Wie heißt es so schön? Das Internet vergisst nicht.
Wo ich gerade die Momentaufnahme als Sinnbild herangezogen habe. Beim Twittern ist es für mich so ziemlich dasselbe. Diese maximal 140 Zeichen finden aus dem Moment heraus ihren Weg zu meinen Freunden/ Followern, damit diese daran teilhaben können (FloSi hat das sehr schön zusammengefasst). Ist es unhöflich sich mit etwas anderem zu beschäftigen, wenn ein ausgewiesener Fachmann jemandem Fachwissen vermitteln möchte? Ja, durchaus. Ich bin in dieser Beziehung selbst kein Heiliger und werde irgendwann wohl auch meine entsprechende Abfuhr dafür kriegen – vielleicht aber auch nicht. Meines Erachtens nach kommt es allerdings auch darauf an, was dieses „andere“ ist.
Unser PR-Prof zum Beispiel hatte wie bereits einmal erwähnt vor einer seiner Vorlesungen darauf hingewiesen, dass keine Laptops für die Theorie-Stunde benötigt werden würden. Die Kiste blieb aus, das Notizbuch war gut gefüllt und der Lehrwert auch ohne Laptop entsprechend hoch. In diesem Fall war dies ein gezielter und äußerst effektiver Einsatz des Kurzmessengers, der mir mehr als zusagte.
Würde ich mir aber unentwegt Notizen machen, mitschreiben oder auch mittippen und mich mit meinem Banknachbarn darüber austauschen, wäre ich gedanklich in einer ähnlichen Weise abgelenkt, als wenn ich via Twitter meine Gedanken dazu festhalte – und gleichzeitig anderen die Möglichkeit zur Mitdiskussion gebe – oder aus dem Fenster schaue und trotzdem zuhöre. Aus dem Kontext meiner Tweets und der potentiellen Antworten kann ich mir Vorlesungen schlicht und ergreifend besser wieder zusammenreimen, als über reines Notizenauswerten… Hintergehe ich somit meinen Prof, wenn ich über diesen etwas eigensinnigeren Weg lerne? Ich finde nicht.
Ich werde mir in den nächsten Tagen noch ein paar Gedanken zu dieser Problematik durch den Kopf gehen lassen. Fortsetzung folgt, wenn man so will. In der Zwischenzeit könnt ihr mir ja weiterhin beim twittern zuschauen.